Gefährlicher Präzedenzfall: Epics Fortnite umgeht den Play Store und stellt Google vor neue Probleme

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Präzedenzfälle können, das liegt in der Natur der Sache, immer große Folgen haben: In dieser Woche hat sich abgezeichnet, dass der Publisher Epic seinen Spielehit Fortnite unter Android nicht über den Play Store vertreiben und stattdessen auf direkte Downloads setzen will. Gestern hat das Unternehmen die Umgehung des Play Stores bestätigt und das könnte bei Erfolg auch andere Hersteller auf den Geschmack bringen und Folgen für Android und den Play Store haben.


Unter Android ist es relativ problemlos möglich, Apps aus einer anderen Quelle als nur dem Play Store zu installieren oder APK-Dateien auch direkt herunterzuladen oder auszutauschen. Da der Play Store aber der mit Abstand größte Marktplatz ist und die Sicherheitseinstellungen unter Android nur Googles Store standardmäßig als sicher einstufen, wird diese Möglichkeit in der Realität kaum genutzt. Zumindest nicht auf den von Google zertifizierten Smartphones.

fortnite logo

Auf den Epic-Servern befinden sich schon jetzt genaue Anleitungen, wie das Spiel Fortnite direkt heruntergeladen und unter Android installiert werden kann. Dazu ist eine Deaktivierung der Sicherheitsfunktionen notwendig, die die Installation aus anderen Quellen standardmäßig untersagt. Das ist aber schnell getan und innerhalb weniger Sekunden lässt sich die heruntergeladene APK-Datei dann direkt installieren und der Spielspaß kann auch unter Android losgehen.

Epic hat gestern neben der Ankündigung auch mehrere offizielle Begründungen geliefert, warum man den Play Store umgehen möchte – und natürlich spielt das liebe Geld die größte Rolle – auch wenn es nicht so dargestellt wird. Google nimmt sich, genauso wie Apple, 30 Prozent aller Umsätze und leitet nur 70 Prozent des vom Nutzer gezahlten Betrages an die Entwickler weiter. Bei einem Spiel mit den Dimensionen von Fortnite sprechen wir allein unter iOS von bis zu 600.000 Dollar pro Tag (!). Unter Android könnte der Betrag potenziell noch sehr viel größer sein.

Nachvollziehbar, dass sich Epic diesen Betrag lieber selbst in die eigene Tasche stecken möchte – aber das ist natürlich ein großes Risiko. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass der Publisher Google damit unter Druck setzen und für die Zukunft geringere Gebühren aushandeln möchte. Aber auch das wäre wieder ein gefährlicher Präzedenzfall, der Googles Play Store-Umsätze einbrechen lassen könnte.



An diesem Schritt von Epic gibt es sowohl lobende Worte als auch viel Kritik. Dass Google einige Millionen Dollar verloren gehen ist dabei Nebensache, denn viel mehr steht der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Epic leistet hier starke Beihilfe dazu, dass die Nutzer eine der wichtigsten Sicherheitsfunktionen von Android deaktivieren. Nur die wenigsten werden die Option wieder aktivieren und somit praktisch ihre Haustür weit offen stehen lassen.

Natürlich öffnet ein solcher Schritt auch vielen Malware-Verbreitern Tür und Tor: Gefälschte Fortnite-Downloadseiten werden so schnell aus dem Boden sprießen, dass man sie bald garnicht mehr zählen kann und die Malware auf den Smartphones der Nutzer verbreiten. Im besten Falle (aus Sicht der Malware-Entwickler) natürlich im Schlepptau mit dem echten Spiel, damit der Nutzer die falsche Quelle und das Zusatzpaket nicht bemerkt.

Googles Anstrengungen zur Bereinigung des Play Store sind natürlich hinfällig, wenn die Installation aus externen Quellen plötzlich wieder salonfähig wird. Andere App Stores hatten das bisher nicht geschafft, hatten aber eben auch kaum exklusive Inhalte zu bieten. Bei einem der populärsten Spiele überhaupt, das im Play Store nicht zu haben ist, sieht das dann aber schon anders aus.

Zwar scannt Google Play Protect mittlerweile auch Apps aus externen Quellen, aber dieser Schutz lässt sich sehr leicht vom Nutzer deaktivieren. Es wäre ein leichtes für die Malware-Entwickler, den Nutzern auch diesen Schritt zu erklären und dies durchführen lassen. Mit dem erwarteten Spielegenuss im Hinterkopf, werden bei vielen Nutzern die Warnsignale im Kopf gerne ignoriert (sieht man immer wieder beim Thema Phishing & Co.)



Damit steht das Android-Ökosystem also vor einem großen Problem und Google vor einer Herausforderung. Wenn Epic tatsächlich viele Millionen Dollar sparen sollte, werden andere große Spielehersteller folgen – dessen kann man sich sicher sein. Am Ende zählt der Umsatz und wenn der trotz der Kompliziertheit der Installation hochgehalten werden kann, dann spielen die Sicherheitsbedenken bei den Entscheidungsträgern in der Spieleindustrie keine Rolle.

Google müsste darauf reagieren und eine erweiterte Zertifizierung in Android integrieren, wenn man Interesse daran hat, das Betriebssystem weiter abzusichern. Doch jede Aktivität außerhalb des Play Stores schwächt wiederum die Position und die Notwendigkeit des großen App Stores. Schon jetzt sorgt die teilweise Wilkür im Play Store für Ärger, wie man erst kürzlich am Beispiel der Öffi-App gesehen hat.

Aber vielleicht kann all das auch erspart werden, wenn es sich vorerst um einen großen Bluff von Epic handelt, um Google an den Verhandlungstisch zu holen und zu niedrigeren Gebühren für dieses Spiel zu bewegen. Derzeit ist die Rede von einer monatelangen Samsung-Exklusivität und nach Ablauf dieser Frist könnte das Spiel dann doch noch den Weg in den Play Store finden. Aber auch hier wird die versammelte Spiele-Konkurrenz sehr genau hinsehen und abwarten, ob das von Erfolg gekrönt ist. So oder so, mit einem populären Spieletitel sitzt man derzeit am längeren Hebel.

Eine Reaktion seitens Google dürfte es wohl in den nächsten Tagen geben.

UPDATE
» Fortnite umgeht den Play Store: Sind die Gebühren für Entwickler im Google Play Store zu hoch?

Siehe auch
» Fortnite für Android: Jetzt Offiziell – Der Spielehit wird NICHT über den Play Store vertrieben
» Fortnite für Android: Der Spielehit wird wohl nur außerhalb des Play Stores vertrieben – mit großen Folgen
» Android Milliarden-Strafe: Googles Geschäftsmodell steht auf der Kippe – mit großen Folgen für Android




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comment 2 Kommentare zum Thema "Gefährlicher Präzedenzfall: Epics Fortnite umgeht den Play Store und stellt Google vor neue Probleme"

  • Der „Sicherheitsaspekt“ ist Unfug. Man holt ja auch für seinen Rechner problemlos die Software aus dem Netz und nicht aus einem „Store“, wo eine eher sinnlose Heuristik wirkungslos rumfiltert.

    Dieser ganze Ökosystem-Regelwahn ist eher das gefährliche. Ich bin der Meinung, dass es gesetzlicher Vorschriften Bedarf, um Google und Apple da aus der „Hausrecht, wir bestimmen“-Position rauszuholen.

    Der Gesetzgeber müsste jeden Vendor verpflichten, Geräte mit aktivem root und sideload auszuliefern. Sonst entscheiden bald Konzerne, was wir kaufen, was wir sehen, wie wir bezahlen, was wir lesen.

    • > Man holt ja auch für seinen Rechner problemlos die Software aus dem Netz und nicht aus einem „Store“

      Und wohin hat das geführt? Dass sich kaum eine Software automatisch updated und sich nahezu jeder User nen Antivirus holt um sich wieder sicher zu fühlen.

      Meiner Meinung nach haben „Stores“ schon ihre Daseinsberechtigung. Nur vielleicht eben nicht nur von einem Hersteller.
      Wenn man sich mal im Linux-Umfeld umschaut, sieht man, dass alle großen Distributionen ihre eignen Repositories haben, die permanent gepflegt werden. So hat man nicht nur eine schützende Instanz vor der ganzen Software, sondern auch noch eine einheitliche Schnittstelle für Updates. Genauso wie beim Play- und beim App-Store.
      Und wenn einem ein Distributor und seine Repos nicht mehr gefallen, wechselt man einfach zu einem anderen, was bei Smartphones aktuell noch nicht so richtig geht. Ok, es gibt F-Droid, aber die sind leider noch nicht so groß, dass man komplett darauf umsteigen könnte.

      Dass man bei Windows noch gezwungen ist, sich alles selbst runterzuladen, liegt einfach daran, dass Microsoft es nicht geschafft hat, auch so eine einheitliche Struktur aufzubauen und durchzusetzen.
      Und wenn jetzt jeder seine Apps manuell installieren lässt bekommen wir das gleiche Problem auch auf Android. Dann werden wild Apps von überall installiert die dann munter Sicherheitslücken aufreißen und in einer Version von vor 3 Jahren rumgammeln weil der User sie nicht updated.

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