Google ist ein riesiger Konzern mit unzähligen Angeboten, internen Abteilungen, Projekten und weit über 80.000 Mitarbeitern. Dass es in einer so großen Organisation mal Überschneidungen gibt, liegt wohl in der Natur der Sache – aber dass das auch für die Produkte für den Endnutzer gilt, ist dann eher unüblich. Tatsächlich bietet Google in vielen Bereichen mehrere Produkte an, die nahezu exakt das gleiche Problem lösen.
Es gibt zwei entscheidende Sprichwörter, die auf Googles Organisation zutreffen könnten: Einmal das aus der IT bekannte „Never chance a running system“ und dann das aus der Wirtschaft bekannte „Kill you own Cash Cow“. Beides ist gut miteinander kombinierbar, denn das Grundkonzept aktueller Produkte sollte nicht geändert werden, stattdessen arbeitet man besser selbst an einem Nachfolger, bevor es die Konkurrenz tut. Bei Google läuft genau das aber manchmal ins Absurde.
Google betreibt in einigen Branchen zwei oder mehr Angebote, die sich gegenseitig Konkurrenz machen und teilweise auch exakt die gleichen Probleme lösen sollen. Das kann Vorteile haben, sorgt aber auch für die Situation, dass die Nutzer von Produkt X auch gerne die Möglichkeiten von Produkt Y hätten – und umgekehrt genauso. Das geschieht dann auch in einigen Fällen und sorgt für eine so starke Annäherung zweier Produkte, dass eines von beiden eigentlich überflüssig wird.
In vielen anderen Branchen ist es nicht unüblich, dass Unternehmen viele Produkte für den gleichen Einsatz im Programm haben. Kaum jemand regt sich darüber auf, dass der VW-Konzern für praktisch jede Zielgruppe 10 Autos von ganz unterschiedlichen Marken im Angebot hat, die sich teilweise nur durch das Logo an der Front und auf dem Lenkrad unterscheiden. Allerdings muss man Autos auch nicht miteinander kombinieren, was in der IT hingegen sehr wohl sein muss. Den Mail-Client und den Messenger hat man schnell gewechselt, das Auto eher nicht.
Obwohl die Situation gar nicht so schlimm ist wie manches mal beschrieben, ist Google bekannt dafür, ein- und dieselbe Baustelle mit verschiedenen Geräten zu beackern. In folgender Auflistung gibt es einige Beispiele.
Google Hangouts, Google Allo, Android Messages
Natürlich beginnen wir mit dem Klassiker: Googles Messenger-Flut. Die Situation scheint sich zwar gebessert zu haben, aber trotz jahrelanger Entwicklungen konzentriert man sich nun auf den schwächsten Messenger und fängt zum drölfzigsten mal ganz von vorne an. Hangouts wurde in den Business-Bereich verschoben, der Allo-Messenger hat seinen Weg zu den Zombie-Produkten gefunden und es würde wohl niemand darauf wetten, dass Android Messages nun der Weisheit letzter Schluss ist.
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Google Mail & Inbox
GMail gehört zu den ältesten Google-Produkten und hat in diesem Jahr schon den vierzehnten Geburtstag gefeiert. Da am Grundkonzept bis heute nichts geändert wurde, wurde vor einigen Jahren mit Inbox ein experimenteller Posteingang eingeführt. Die vielen neuen Funktionen wollte man ausführlich testen, den GMail-Nutzern aber nicht standardmäßig zumuten. Das hat nun zu der Situation geführt, dass beide Produkte ihre Fans haben und keines von beiden ohne Schmerzen eingestellt werden könnte. Inbox wird wohl den Weg auf den Google-Friedhof gehen, aber noch hat man sich nicht getraut, das zu verkünden. Hoffnung macht zwar ein vor wenigen Tagen ausgeliefertes Inbox-Update, aber das sollte man vorerst nicht überbewerten.
» Nach dem großen GMail-Redesign: Google Inbox wird nicht eingestellt – zumindest vorerst
Google Maps & Waze
Viele Nutzer dürften nicht einmal wissen, dass Waze zu Google gehört, da die Plattform bis heute komplett eigenständig betrieben wird und auch starke Überschneidungen mit Google Maps hat. Sowohl Waze als auch Maps haben eine starke Community und langsam aber sicher werden die Community-Funktion zu Maps gebracht, womit sich beide Produkte weiter gefährlich annähern. Sollte eines Tages eines von beiden eingestellt werden müssen, ist wohl klar, welches Produkt den Kürzeren zieht. Dennoch beachtlich, wie lange sich Waze schon als „Fremdkörper“ (nicht negativ gemeint) in Googles Geo-Abteilung hält.
Google Play Music & YouTube Music
Die neueste Baustelle wurde erst vor wenigen Wochen eröffnet: Mit YouTube Music stellt sich Google noch einmal völlig neu auf und führt das Musik und Video-Streaming zusammen. Das bisher schon vorhandene Google Play Music bleibt bestehen und wird mittelfristig eine Spiegelung von YouTube Music sein, nur ohne Musikvideos. Diese Situation wird mindestens so lange bestehen, bis alle Play Music-Features auch zu YouTube Music gekommen sind. Warum man das nicht vor dem Start hinbekommen und einen klaren Schnitt gemacht hat, bleibt wieder mal das Geheimnis der Google-Strategen.
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Android, Chrome OS & Fuchsia
Android und Chrome OS haben als Betriebssysteme ihre klar abgesteckten Bereiche, die sie bearbeiten: Android die Smartphones und Chrome OS den Desktop. Doch die Grenzen verschwimmen zunehmend, was vor allem auch der Einsatz von Chrome OS auf den Tablets und die Android-Apps unter Chrome OS deutlich machen. Android bearbeitet durch diverse Ableger auch noch den TV-Markt, die Wearables und mit dem neuen Android Things auch das IoT. Wie nun das kommende Betriebssystem Fuchsia in das ohnehin schon leicht unklare Bild passt, wird sich zeigen. Möglicherweise wird es auch hier eine jahrelange Koexistenz geben.
Google konnte sich, zumindest hatte es nach außen diesen Anschein, nicht darauf festlegen, wie man der langsamen Fusion von Desktop und Mobil begegnen soll. Es gab zaghafte Versuche, Android auf den Desktop zu bringen und rein theoretisch sind viele dafür notwendige Komponenten auch im Betriebssystem enthalten. Chrome OS hingegen steht gerade vor dem Sprung auf die Tablets und dürfte Android diesen Platz schnell streitig machen. Auf der anderen Seite haben Android-Apps ihren Weg auf den Desktop gefunden und können auf immer mehr Chromebooks ausgeführt werden.
Mit diesen Schritten wildern beide im Bereich des Anderen, doch zu einer echten Zusammenlegung konnte sich Google niemals durchringen. Beide Konzepte sind zu sehr an ihre jeweiligen Plattformen gebunden und lassen sich nicht ganz so leicht übertragen, ohne zu viele Nutzer mit einer völlig veränderten Oberfläche vor den Kopf zu stoßen. Vielleicht ist es deswegen auch einfach die beste Idee, noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Eine mögliche Zusammenlegung von Android und Chrome OS war kurzzeitig in Form von Andromeda in Entwicklung, doch diese Umsetzung war dann wohl doch nicht konsequent genug gedacht und wurde schnell wieder eingestellt.
» Googles Allround-Betriebssystem Fuchsia: Wie geht es mit Android und Chrome OS weiter?
» Google Chrome OS: Von der Nische zum Allround-Betriebssystem – Ein steiler Aufstieg steht bevor
Frühere Produkte
Die doppelten Google-Dienste sind längst keine neue Entwicklung, denn schon im ersten Jahrzehnt des Unternehmens gab es mehrere doppelte Angebote. Nicht ganz so bekannt aber kurzfristig sehr populär war Googles alternative Suchmaschine Searchmash, mit der neue Funktionen für die Websuche ausprobiert wurden, die man dem Durchschnittsnutzer nicht zumuten wollte.
Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Produkten uns Google in Zukunft noch beglücken wird, denn es gibt noch viele Bereiche, in denen sich seit längerer Zeit nichts mehr getan hat und die vielleicht eines Neustarts bedürften. Ob das dann gut oder schlecht ist, wird sich vor allem daran zeigen, wie mit der Koexistenz der jeweiligen Produkte umgegangen wird.
Siehe auch
» Vor dem Deutschland-Start von Google Pay: Die lange Geschichte von Googles Bezahldiensten
» 9 Messenger: Google bringt Struktur in die Messenger-Palette – und schafft ein noch größeres Chaos