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Der Zenit ist erreicht: Googles Betriebssystem Android steht möglicherweise vor dem Aus (Drei Gründe)

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Android ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Betriebssystem und gleichzeitig auch das erfolgreichste Consumer-Betriebssystem der Geschichte. Doch trotz des riesigen Erfolgs wird seit einiger Zeit an mehreren Stellen am Thron des grünen Androiden gesägt, der nun schon heftiger am Wanken ist, als man auf den ersten Blick denken würde. Es ist gut möglich, dass Android in der bekannten Form schon in wenigen Jahren eingestellt wird.


Im vergangenen Jahr wurden 10 Jahre Android gefeiert – und es waren wahnsinnige Jahre des Erfolgs. Was mit einer kaum beachteten Übernahme und der Gründung der Open Handset Alliance begonnen hat, ist heute ein Betriebssystem mit weit über 2 Milliarden Nutzern (möglicherweise auch 5 Milliarden) und neben Apples iOS der Standard auf allen Smartphones. Derzeit sieht es aber so aus, dass es eine 20-Jahre-Feier wohl nicht geben wird.

Schaut man sich den aktuellen Erfolg von Android an, würde man kaum auf die Idee kommen, dass Google schon bald einen Schlussstrich ziehen könnte. Gerüchte darüber gibt es schon seit langer Zeit, doch zwei Ereignisse dieser Woche könnten das ganze stark beschleunigen und für ein schnelles Aus sorgen: Einmal das Milliarden-Urteil mit harten Auflagen und zum anderen die angebliche Fuchsia Roadmap.

Wo Google heute ohne Android stehen würde, lässt sich kaum abschätzen. Mit ziemlicher Sicherheit wäre das Unternehmen aber gerade im mobilen Markt längst nicht so erfolgreich wie man es aktuell ist. Dieser Markt wiederum treibt aber auch das Ökosystem voran und beflügelt somit auch den Erfolg des Desktops sowie aller anderen Plattformen und Produkte. Dennoch könnte Android seine Arbeit nun getan haben und auf dem Weg zum Abstellgleis sein – und das auch noch in einem relativ kurzem Zeitraum.

Folgende drei Faktoren sprechen dafür, das sich Android in eine Sackgasse manövriert hat, aus der es nur noch mit einem völligen Neustart entrinnen kann, der dann aber sowohl mit einem anderen Konzept als auch unter einem anderen Namen antreten muss. Sogar Microsoft könnte bei Android einsteigen



Das Geschäftsmodell ist stark angeschlagen

Das Geschäftsmodell hinter Android ist recht einfach erklärt: Google entwickelt das Open-Source-Projekt Android mit nahezu unendlichen Ressourcen und sehr viel Geld weiter, bietet es aber jedem kostenlos zum Download und den Herstellern kostenlos zur Installation auf ihren Geräten an – ein völliges Verlustgeschäft. Möchte der Smartphone-Hersteller auch den Play Store mit ausliefern, müssen viele weitere Google-Apps vorinstalliert werden, die dadurch in nahezu allen Kategorien zum Standard geworden sind und kaum ernsthafte Konkurrenz haben – und hier dreht es sich plötzlich in ein riesiges Gewinngeschäft.

Doch nun hat die EU-Kommission mit ihrem Urteil dieses Geschäftsmodell untersagt. Wie genau Google dem begegnen will, ist derzeit noch nicht bekannt, wird aber innerhalb von 90 Tagen festzulegen sein. Sicherlich gibt es einige Lücken, mit denen Google die eigene Vormachtstellung sichern kann und auch die Apps und Marken sind stark genug, damit sich die Nutzer die Apps notfalls auch selbst aus dem Play Store herunterladen, aber grundlegend ist das Geschäftsmodell dahin und basiert dann nur noch auf dem Prinzip Hoffnung. Für einen Milliardenkonzern nicht akzeptabel.

Eine Alternative wäre der direkte Verdienst und die Einstellung der kostenlosen Android-Versionen. Angesichts der riesigen Verbreitung sicherlich einige Jahre lang ein lohnendes Geschäft. Doch was nutzt der Umsatz, wenn die Nutzungszahlen der eigenen Produkte langsam aber stetig zurückgehen. Da der indirekte Umsatz durch Android kaum zu beziffern ist, lässt sich auch eine mögliche Lizenzgebühr nicht vorhersagen. Die Smartphone-Hersteller würden diese Kosten aber ohne Zweifel an die Käufer weitergeben, womit zumindest ein klein wenig die Attraktivität von Android leiden könnte.

Interessant wird es nun sein, wie Google in naher Zukunft reagieren wird. Auch wenn das Urteil angefochten wird, muss man sich dennoch Gedanken über eine Lösung machen und das Geschäftsmodell so lange aufrecht erhalten, bis der Nachfolger gefunden, etabliert und akzeptiert ist. Und damit kommen wir dann auch schon gleich zum nächsten Punkt.

Mehr zum EU-Urteil gegen Android
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Der Nachfolger Fuchsia macht sich bereit

Google arbeitet schon seit längerer Zeit am neuen Betriebssystem Fuchsia, über das wir hier im Blog schon sehr häufig berichtet haben. Obwohl es vor den Augen der Öffentlichkeit entwickelt wird und der Sourcecode zu großen Teilen offiziell zugänglich ist, birgt es dennoch mindestens ein großes Geheimnis: Auf welchen Geräten soll es eingesetzt werden und wie wird es sich in Googles Ökosystem neben Android und Chrome OS platzieren? Und die Antwort lautet möglicherweise: Universell und als Ersatz.

In dieser Woche wurde bekannt, dass es eine interne Fuchsia-Roadmap gibt, die vorsieht, dass das Betriebssystem innerhalb von drei Jahren auf den ersten Geräten eingesetzt werden soll. Nach weiteren zwei Jahren soll dann bereits der Sprung auf die Smartphones, Tablets und weitere Consumer-Geräte gewagt werden – und damit ersetzt es dann Android. Das ist noch einige Jahre entfernt, aber die Annäherung der Plattformen hat längst begonnen und soll für einen reibungslosen Übergang sorgen.

Dass eine solche Roadmap existiert ist unbestritten, allerdings ist sie längst noch nicht abgesegnet worden. Google-CEO Sundar Pichai muss sein Okay geben, hat dies aber bisher noch nicht getan. Da es nach aktuellem Stand aber keine weitere Alternative zu Fuchsia gibt (Andromeda wurde längst eingestellt), ist dieses Okay eher eine Frage der Zeit. Genauso muss man aber auch bedenken, dass Fuchsia noch immer den Status eines Experiments hat, das jederzeit eingestellt werden könnte – trotz der über 100 aktiven Entwickler im Team.

An Fuchsia führt für Google eigentlich kein Weg mehr vorbei, denn nur mit diesem von Grund auf neu konzipiertem Betriebssystem ist es möglich, sich von den Altlasten zu befreien und die eigene Cloud noch sehr viel näher an den Nutzer zu bringen als bisher. Damit läuft man dann natürlich wieder Gefahr, von den Wettbewerbsbehörden unter die Lupe genommen zu werden, aber bis dahin ist es ein weiter Weg und das Konzept der Stories statt Apps macht es schwierig, das Betriebssystem von den zusätzlichen Funktionen zu trennen und so Grundlagen für zukünftige Auflagen zu schaffen.

Mehr zu Fuchsia
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Kill your own Cash-Cow

Aber nicht nur die beiden aktuellen Entwicklungen sprechen für einen Abschied, sondern auch obiger Leitspruch. Ein Unternehmen, vor allem nicht eines der Größe von Google, sollte nicht zu sehr von einem Produkt abhängig sein. Außerdem darf man nicht stehen bleiben und die eigenen Produkte immer wieder übertreffen, bevor es die Konkurrenz tut. Nach weit über 10 Jahren Erfolgsgeschichte hat es sich der grüne Android dann auch einmal verdient, in Pension zu gehen.

Auf den Tablets hat sich Android schon heute selbst überlebt und wurde von Chrome OS abgelöst. Auf den Smartwatches hat man sogar den Markennamen Android fallen gelassen und hat niemals eine echte Android-Oberfläche geschaffen. Auf den Smartphones ist weit und breit keine Konkurrenz in Sicht, aber mit über 80 Prozent Marktanteil ist das Betriebssystem auf dem Zenit und es kann kaum noch weiter nach oben gehen.

» Gerücht: Microsoft arbeitet angeblich an einem eigenen Android-Smartphone – die Infrastruktur steht bereits
» Google statt Android: Die Marke ‚Android‘ könnte aus strategischen Gründen langfristig verschwinden

One more thing
Schlussendlich kann sogar das Android-Namensschema einen Neustart notwendig machen, denn alle „schönen Buchstaben“ sind vergeben und schon mit der Version Q steht man vor einem großen Problem. Ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, wurde von uns aber ausführlich in einem Aprilscherz belegt, der möglicherweise im Nachhinein doch ein Fünkchen Wahrheit enthalten könnte.


Dieser Artikel ist natürlich reine Spekulation und fasst lediglich die aktuellen Entwicklungen zusammen. Wie es tatsächlich weitergeht, weiß derzeit wahrscheinlich nicht einmal Google selbst. Android ist Tot, lang lebe Android!

UPDATE
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