Google ist nicht nur bekannt dafür, die Nutzer teilweise mit mehreren Produkten für die gleiche Aufgabe zu beglücken, sondern diese dann auch genauso rigoros wieder einzustellen und auf den ewigen Google-Friedhof zu befördern. Dazwischen gibt es dann noch die Gruppe der Zombie-Apps, von denen das Unternehmen ebenfalls einige im Angebot hat. Erst in den vergangenen zwei Wochen wurden drei neue Apps in diesen Status gebracht.
Wenn es um die Organisation und Aufbereitung von Daten aller Art geht, macht Google so schnell niemand was vor. Zwar gibt es zu allen Google-Produkten viele Konkurrenzangebote, aber kein anderes Unternehmen bietet einen so großen Umfang an Apps und Informationen, die in einigen Fällen auch sehr gut untereinander vernetzt sind. Doch wer sich darauf verlässt, ist manchmal auch wirklich verlassen. Denn auch Produkte von denen man es niemals gedacht hätte, werden einfach eingestellt, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen.
Googles Frühjahrsputz-Aktionen, wie man sie vor einigen Jahren selbst betitelt hat, finden nicht unbedingt nur in der Titelgebenden Jahreszeit statt, man muss also immer darüber besorgt sein, ein häufig genutztes Produkt zu verlieren. Auch in diesem Jahr gab es schon wieder einige Beispiele, die aber keine ganz so hohen Wellen geschlagen haben: Am schmerzlichsten wird wohl der URL-Shortener goo.gl vermisst werden.
In den vergangenen Jahren gab es auch Einstellungen mit einer sehr viel größeren Dimension, die viele Nutzer auch heute noch im Hinterkopf haben werden: Das Paradebeispiel ist die Einstellung des Google Reader. Aber auch die personalisierte Startseite iGoogle erfreute sich bis zur Einstellung großer Beliebtheit. Unverständlich war damals auch die Einstellung des Google Notebook, das aber glücklicherweise später einen würdigen Nachfolger bekommen hat (Google Keep).
Einen ausführlichen und tiefer gehenden Artikel über Googles Einstellungs-Wut haben wir im vergangenen Jahr schon einmal veröffentlicht. Darin geht es dann auch um die Frage, ob man sich nicht so langsam das Vertrauen der Nutzer verspielt. Geändert hat sich seitdem aber nicht viel.
» Dutzende Produkte eingestellt: Verspielt Google leichtfertig das Vertrauen der Nutzer?
Googles Zombie-Apps
Aber es gibt auch noch die andere Gruppe der Google-Apps, die praktisch tot sind, aber noch immer weiter betrieben werden. Die Gründe sind teilweise nachvollziehbar, teilweise scheinen die Dienste aber auch einfach vergessen worden zu sein. Bei allen muss man sich jedenfalls Gedanken darum machen, ob man sie noch verwenden sollte, wenn sie vielleicht schon bald verschwinden.
Google Allo
Erst vor zwei Wochen hat Google angekündigt, dass die Entwicklung von Allo eingestellt wird und der Messenger zumindest aktiv seinen zweiten Geburtstag nicht erleben wird. Von einer Einstellung war bisher keine Rede, was aber einfach nur daran liegt, dass man sich noch alle Türen offen halten möchte und wohl auch abwartet, wie sich der große Hoffnungsträger Android Messages weiter entwickelt. Aber selbst wenn man sich dann nach langer Zeit zu einer Weiterentwicklung entschließt, wird man um einen erneuten Neustart wohl nicht herumkommen. Damit ist Allo ein 1A Zombie-Produkt mit Ansage.
Google Hangouts
Hangouts hat spätestens seit dem Start von Allo den Status eines Zombie-Produkts, wurde aber auch davor schon kaum noch weiter entwickelt. Auch wenn nun der Nachfolger selbst schon wieder diesen Status erreicht hat, ist Hangouts weiterhin Online. Damit ist übrigens nur die Version für Privatanwender gemeint, denn im Business-Bereich spielt es weiter eine große Rolle. Ob die verwirrende Nutzung der Marke sinnvoll ist und nicht eher schadet, müssen aber Googles Produktstrategen (sofern man denn welche hat) entscheiden.
Google Inbox
Über die Zukunft von Google Inbox gibt es praktisch schon seit dem Bestehen des Dienstes Diskussionen. Von Anfang an wurde es als experimenteller Posteingang des GMail-Teams beworben und trägt diesen Titel bis heute. Dennoch war der Dienst für ein reines Experiment viel zu lange Online und hat auch immer wieder mal neue Features bekommen. Einige Features sind nun aber in das neue GMail integriert worden. Ein Google-Manager hatte versichert, dass Inbox nicht eingestellt wird, hat aber auch nicht von einer Weiterentwicklung gesprochen. Man hofft wohl einfach, dass die Nutzer nun zurück zu GMail wechseln, damit man Inbox eines Tages still und heimlich einstellen kann.
Google Play Music
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Google Play Music wohl eingestellt wird und in einem neuen YouTube-Dienst aufgeht. Wie genau das durch die Integration in den Play Store als erste Anlaufstelle zum Kauf von Medien funktionieren soll, ist nicht bekannt. Ob die Nutzer auch tatsächlich YouTube zum Abspielen von Musik (ohne Video) verwenden möchten, sei mal dahingestellt. Ich gehe davon aus, dass Play Music auch weiterhin bestehen bleibt, aber nicht mehr weiter entwickelt wird. Ob es zu einem Zombie-Produkt wird, wird die Zeit zeigen.
Google Kontakte
Man sollte meinen, dass die Kontaktverwaltung ein sehr zentrales Produkt von Google sein müsste. In fast jedem Produkt lassen sich Inhalte teilen, wobei die Kontakte aus dem Adressbuch zum Einsatz kommen. Außerdem gibt es eine starke Synchronisierung mit dem Android-Telefonbuch. Doch auch wenn viele Dienste auf die Datenbank zugreifen, wird dazu jeweils eine eigene Oberfläche und nicht die von Google Kontakte verwendet. Die Datenbank wird auf jeden Fall auf ewig ein integraler Bestandteil bleiben, aber die Oberfläche scheint keine große Rolle zu spielen. Selbst aus GMail ist sie verschwunden.
Google Bookmarks
Die Bookmark-Verwaltung Google Bookmarks stammt noch aus der „alten Google-Zeit“ mit der Google Toolbar und hat, abgesehen von einer kleinen Anpassung der Oberfläche, das letzte Update im März 2010 (!) bekommen. Eine moderne Oberfläche gibt es nicht, eine Anbindung an die Chrome-Bookmarks gibt es nicht und auch im seit Jahren herrschende Bookmark-Chaos von Google dürfte das Angebot keine große Rolle mehr spielen. Für mich ein weiteres Produkt, das wenig bis gar nichts kostet und deshalb am halben Leben gelassen wird.
Blogger
Das letzte erwähnenswerte Blogger-Update gab es im September 2013 (!). Seitdem wurde die Plattform nur noch verwaltet und hat neue Richtlinien und eine Umstellung auf HTTPS bekommen. Da es bis heute Millionen aktive Blogs gibt, kann Google aber nicht einfach den Stecker ziehen und beschränkt sich wohl nur auf die reine Verwaltung des Dienstes. Gut fünf Jahre ohne Update machen es für mich sehr eindeutig zu einem Zombie-Produkt.
Nur weil ein Produkt seit langer Zeit kein Update mehr bekommen hat, heißt es natürlich nicht, dass sie direkt zu einem Einstellungs-Kandidaten werden. Beispiele dafür sind für mich etwa Google Alerts oder auch Google Sites, die vielleicht nicht unbedingt zu den Kernprodukten gehören, aber dennoch seit vielen Jahren bestehen und wohl auch rege genutzt werden. Oben aufgelistet Produkte allerdings haben einen Nachfolger oder sind längst aus der Zeit gefallen.
Eine Übersicht über fast alle Google-Produkte findet ihr übrigens hier, in der einige der oben aufgelisteten Produkte gar nicht mehr enthalten sind. Damit gehören sie für mich zur Gruppe der „vergessenen Produkte“, die wohl nur noch Online sind, weil sie zwar nicht mehr zur Roadmap passen, aber keine gute Alternative für den reibungslosen Übergang der Nutzer zu einem anderen Produkt schaffen.
Jedes größere Unternehmen hat natürlich auch Produkte im Sortiment, die eher unter „ferner liefen“ behandelt werden, aber bei einem Informations-orientierten Unternehmen wie Google ist das eben etwas anderes. Wer einem Produkt seine Daten anvertraut, hofft darauf, dass es noch lange bestehen bleibt und die Informationen nicht irgendwann mangels Alternativen verloren gehen. Deswegen ist es wohl besser, den Stecker zu ziehen und für ein Ende mit Schrecken als für ein Schrecken ohne Ende zu sorgen.
Siehe auch
» Alle Meldungen über eingestellte Produkte
» Dutzende Produkte eingestellt: Verspielt Google leichtfertig das Vertrauen der Nutzer?