Als Betreiber der weltgrößten Videoplattform hat es YouTube nicht immer leicht: In jeder Sekunde werden mehrere Stunden Videomaterial hochgeladen, die aufgrund des Umfangs nicht moderiert werden können und sofort freigeschaltet werden. Um Urheberrechtsverletzungen möglichst schnell zu erkennen, wurde vor Jahren das Content ID-System eingeführt. Dass das nicht immer zuverlässig funktioniert ist bekannt, aber ein neuer Fall zeigt nun, wie sehr sich dieses System irren kann.
Von den Stunden an Material die in jeder Sekunde zu YouTube hochgeladen werden, dürften wohl auch viele Videos dabei sein, die die Urheberrechte von Dritten verletzen und etwa Ausschnitte aus Serien, Filme, Musik oder anderen Dingen enthalten oder gar ein gesamtes Video kopieren. In den Anfangsjahren war das ein echtes Problem und hätte sowohl YouTube als auch den betroffenen Nutzern finanziell das Genick brechen können. Doch mit Content ID konnte all das relativ zügig gelöst und sogar ein Geschäftsmodell drumrum gebaut werden.
Schon vor zweieinhalb Jahren wurde ein Video auf YouTube hochgeladen, dass man nicht wirklich als unterhaltsam bezeichnen kann und wohl von niemandem vollständig angesehen wird: Es zeigt lediglich einen weißen Hintergrund, einen kurzen Infotitel und enthält in der Audiospur lediglich ein ständiges Rauschen. Bezeichnet wird es als „weißes rauschen“ und hat mehr einen technischen Hintergrund als den Sinn zu Entertainment. Erzeugt wurde dieses Rauschen mit dem Noise Filter von Audacity.
Innerhalb dieser zweieinhalb Jahre wurde das Video nun schon fünf mal vom Content ID-Filter als Urheberrechtsverletzung eingestuft, wobei es sich dabei jedes mal um verschiedene Urheber handeln soll. Allerdings ist das Video noch immer Online, denn alle fünf vermeintlichen Urheber haben sich für die Methode der Finanzierung entschieden. Das bedeutet, dass im Video und um das Video herum Werbung angezeigt wird, an denen die vermeintlichen Urheber verdienen – der eigentliche Uploader hingegen sieht keinen Cent.
In allen vier bisherigen Fällen musste der Uploader gegenüber YouTube beweisen, dass ihm das Video gehört, so dass der Verstoß behoben wurde. Auch im aktuellen fünften Fall will er das nun wieder tun, und dürfte wohl auch dieses mal wieder erfolgreich sein. Genau so sicher kann er sich aber wohl auch sein, dass es nicht das letzte mal gewesen ist, dass sein Video in den Fokus des Filters rückt.
Fraglich ist nun, wie das überhaupt passieren kann. Ich habe mir das Video natürlich keine 10 Stunden lang angesehen, aber bis auf das Rauschen und den weißen Hintergrund gibt es dort nichts zu sehen oder zu hören. Und da niemand dieses Rauschen für sich beanspruchen kann, und es wohl auch nicht unbedingt Teil eines Musiktitels ist, liegt hier eine klare Fehlfunktion von Content ID vor.
Offenbar hat das System ein Problem mit Rauschen bzw. ähnlichen Geräuschen, denn dies ist nicht der erste Fall einer solchen Fehlerkennung. Vor einigen Jahren machte ein Fall die Runde, in dem ein Katzenschnurren als Urheberrechtsverletzung erkannt und das Video daraufhin entfernt wurde. Für sich wäre das höchstens ärgerlich, aber kein großes Problem. Problematischer ist es aber, wenn man viele solcher Videos hat, und diese plötzlich alle als Verstoß erkannt werden. Daraufhin kann dann das ganze Konto gesperrt werden, ohne dass der Nutzer etwas getan hat.
Doch trotz der False-Positives halte ich Content ID für ein extrem gutes System, dass vermutlich zu 99,99 Prozent sehr gute Arbeit leistet, und wohl auch sehr viele Videos vor einer Sperre bewahrt. Und die Erkennung von Millionen geschützter Titel bei Milliarden von Videos ist sicher keine leichte Arbeit – die dann auch stets eine erstaunlich hohe Trefferquote hat. Gerade wenn die Videos immer umfangreicher werden, kann das aber zu einem Problem werden – wie vor einigen Jahren bei der Einführung von 360 Grad-Videos ersichtlich war. In diesen konnten sogar Kinofilme untergebracht werden, ohne dass der Filter es bemerkt hat.