Vor wenigen Tagen hat Google offiziell bestätigt und angekündigt dass der Chrome-Browser einen Werbeblocker bekommen wird – und das schon ab dem kommenden Jahr. Dieser Schritt sorgt aufgrund von Googles enormer Marktmacht in allen Bereichen für Diskussionen und gerade Verleger und konkurrierende Werbenetzwerke sind mehr als besorgt darüber dass Google in Zukunft der Türsteher für Werbeanzeigen sein könnte.
Ab dem kommenden Jahr wird der Chrome-Browser einen integrierten Adblocker besitzen, der nervige Werbeanzeigen vollautomatisch ausblendet und betroffene Webseiten durch einen ordentlichen Umsatzschwund abstraft. Welche Anzeigen vom Blocker ausgeblendet werden und welche nicht wird aber nicht von Google sondern von der Coalition of Better Ads festgelegt – in der Google natürlich Mitglied ist. Dadurch sollte eigentlich eine gewisse Neutralität gegeben sein, aber dennoch befürchten Verleger und Werbenetzwerke das schlimmste.
Kritiker sehen vor allem Googles doppelte Beteiligung an dem neuen Werbeblocker mehr als kritisch und sehen eine ganz neue Form der Marktmacht bei der Onlinewerbung auf sich zukommen. Google stellt mit Chrome sowohl den weltweit am weitesten verbreiteten Browser zur Verfügung und besitzt mit AdWords und AdSense auch das weltweit größte Werbenetzwerk. Dabei ist es laut einigen Kritikern praktisch unmöglich nicht in Interessenskonflikte zu geraten – und genau aus diesem Grund hat Google wohl auch die Coalition of Better Ads dazwischen geschaltet.
Deutscher Verlegerverband BDZV:
Dass Google mit einem eigenen Adblocker in Chrome gegen nervende Werbung vorgehen will, empfinden wir als heuchlerisch. Es geht aus Sicht des BDZV vielmehr um Macht und Kontrolle über den Werbeblockermarkt, über Website-Betreiber und Werbekunden.
Axel-Springer-Verlag
Wir begrüßen grundsätzlich jede Initiative, die das Ziel hat, digitale Werbung zu verbessern. Die Pläne von Google in diesem Bereich verfolgen wir natürlich genau, haben dazu aber noch nicht alle Informationen ausgewertet
Interessant ist auch ein weiteres Detail, dass Google erst jetzt verraten hat: Wenn der Chrome-Browser eine „böse“ Werbeanzeige auf einer Webseite entdeckt, werden automatisch auch ALLE weiteren Anzeigen entfernt und gar nicht erst angezeigt. Wenn darunter auch AdSense-Anzeigen sind, werden diese natürlich ganz genau so entfernt. Da es durch die großen Werbenetzwerke mittlerweile für den Webseiten-Betreiber kaum noch möglich ist die eigenen angezeigten Werbeformen zu kontrollieren, kann es für die Betreiber auch ganz schuldlos also eng werden.
Das sind Bad Ads im Desktop-Browser:
Das sind Bad Ads auf dem Smartphone:
The Coalition’s research identifies the ad experiences that rank lowest across a range of user experience factors, and that are most highly correlated with an increased propensity for consumers to adopt ad blockers. These results define initial Better Ads Standards that identify the ad experiences that fall beneath a threshold of consumer acceptability. Four types of desktop web ads (six tested ad experiences) and eight types of mobile web ads (twelve tested ad experiences) fell beneath this threshold. A summary of these types of ad experiences is presented below.
Um den Status der eigenen Webseite zu sehen hat Google ein neues Tool mit der Bezeichnung Ad Experience Report im Rahmen der Webmaster Tools gestartet. Dort sind alle entdeckten Verstöße aufgelistet und werden mit Screenshots belegt. Dort kann der Webmaster auch sehen ob auf der eigenen Webseite derzeit Werbung ausgespielt wird oder nicht. Ob ein Entfernen von „bösen“ Anzeigen zur sofortigen Freischaltung führt ist nicht bekannt, aber in einigen Fällen lässt sich Google (etwa bei AdSense-Sperren) leider sehr viel Zeit…
Natürlich kann es für eine Webseite sehr schnell existenzbedrohend werden wenn plötzlich keine Werbeanzeigen mehr ausgespielt werden, so dass Google praktisch durch die Hintertür die Webmaster zu AdSense treibt. Nur in Googles eigenem Werbeprogramm können sie 100%ig sicher sein dass dort keine Anzeigen ausgespielt werden die gegen die Richtlinien verstoßen. Zwar werden auch andere große Netzwerke nachziehen, aber es wird vermutlich immer wieder Diskussionen und Probleme mit neuen Formaten geben.
Dass Google alle Bereiche (Traffic über die Websuche, Anzeige im Chrome-Browser, Werbung über AdSense, Blocker im Chrome) überwacht und kontrolliert ist natürlich eine sehr ungünstige Situation und es ist verständlich dass sowohl Verleger als auch Konkurrenten das ganze mehr als kritisch sehen. Möglicherweise wird es hier noch vor dem Start zu Klagen und Gerichtsverfahren kommen, aber früher oder später wird der Werbeblocker sowieso kommen, also sollten sich alle Betroffenen darauf einstellen – ein halbes Jahr habe sie immerhin noch Zeit um sich anzupassen und die von den Nutzern sowieso verhassten Werbeformen zu deaktivieren bzw. durch nutzerfreundlichere Versionen zu ersetzen.
Für die Internetnutzer kann das ganze nur gut sein, auch wenn es hinter den Kulissen für große Diskussionen sorgt. In diesem Fall dürfte am Ende der Nutzer der Gewinner sein, da die Zeit der extrem aufdringlichen und teilweise nicht wegklickbaren Werbung nun hoffentlich endlich der Vergangenheit angehört und Werbung vielleicht wieder zu der Form zurück findet wie sie bis vor etwa 10 Jahren einmal war: Zwar deutlich sichtbar, aber nicht aufdringlich, nicht bunt blinkend oder in Form von Videos mit Ton oder sogar im Vollbild. Das nächste Jahr dürfte in diesem Punkt sehr spannend werden.
Im Artikel bei heise wird auch noch der Zusammenhang mit den ebenfalls vor wenigen Tagen gestarteten Google Contributor erklärt, doch meines Erachtens nach haben die beiden Dinge nicht wirklich etwas miteinander zu tun.
[heise]