Überblick vor dem Milliarden-Urteil: Darum geht es in dem EU-Wettbewerbsverfahren gegen Google

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Schon seit vielen Jahren ermittelt die EU-Kommission gegen Google und wirft dem Unternehmen Machtmissbrauch mit der Websuche vor. Konkret geht es um den Teilbereich der Produktsuche, an der sich die Gesetzeshüter und die konkurrierenden Unternehmen seit Jahren stören. In diesen Tagen soll das Urteil in Verbindung mit einer Strafzahlung in Milliardenhöhe bevorstehen, deswegen verschaffen wir noch einmal einen Überblick über das gesamte Verfahren.


Der extrem hohe Marktanteil der Google Websuche in Europa, und auch im Rest der Welt, ist den Behörden rund um die Welt schon seit vielen Jahren ein Dorn im Auge, und immer wieder gab es weltweit Untersuchungen gegen das Unternehmen. Schon oft wurde Google der Machtmissbrauch und die Bevorzugung der eigenen Produkte vorgeworfen, aber noch nie ist es zu einem so gigantischen Verfahren wie in der EU gekommen, und jetzt steht ein für Google sehr schmerzhaftes Urteil kurz bevor.

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Das Verfahren im Überblick

Die Mühlen der großen Institutionen wie der EU mahlen bekanntlich sehr langsam, und so zieht sich das aktuelle Verfahren tatsächlich schon seit fast sieben Jahren – zumindest gab es schon im Jahr 2010 die ersten Andeutungen der EU-Kommission, das man mit Googles Suchgeschäft nicht ganz zufrieden ist. Wirklich ernst wurde es dann aber erst im Jahr 2013, als die ersten Untersuchungen zu Ende gingen und man ein hartes Vorgehen gegen Google angekündigt hat. Kurz darauf hatte Google Zugeständnisse eingereicht und hat die Ergebnisse entkräftet.

Tatsächlich hatten Googles Anwälte damals sehr gute Arbeit geleistet, denn aus dem Vorwurf der wettbewerbswidrigen Integration von Google-Produkten in die Websuche blieb am Ende nur noch der Vorwurf der Einbindung der Produktsuche übrig – und genau um diese geht es in dem Verfahren. Nachdem die EU-Kommission mit den Zugeständnissen nicht zufrieden war, wurde dann am 15. April 2015 eine offizielle Beschwerde an Google gesendet, was mit der Ankündigung eines Verfahrens gleichzustellen ist.

Nach knapp zwei Wochen hatte Google dann auf diese Anschuldigungen reagiert und komplett zurückgewiesen, womit die Kriegserklärung dann endgültig unterschrieben war und das offizielle Verfahren gestartet wurde. Seitdem sehen sich beide Parteien nur noch vor Gericht wieder. Zwischenzeitlich haben Googles Anwälte sogar das Verfahren in Frage gestellt und eine Einstellung gefordert, doch daraus ist natürlich nichts geworden. Seit diesem Jahr hört man praktisch nur noch davon, dass Google wohl eine Strafe in Milliardenhöhe droht.



Googles Argumente

Natürlich sind Googles Anwälte trotz der Uneinsichtigkeit der EU nicht tatenlos und haben bereits eine Reihe von Argumenten eingebracht, mit denen das Verfahren eigentlich witzlos wird. Denn tatsächlich gibt es in diesem Teilbereich keine marktbeherrschende Stellung. Google ist zwar die mit Abstand dominierende Suchmaschine, aber das gilt eben nicht für alle Teilbereiche. Und genau für diesen Teilbereich, um den es in dem Verfahren geht – nämlich die Produktsuche – ist man längst nicht so dominant und liegt weit hinter vielen anderen Anbietern.

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Obige von Google für das Verfahren veröffentlichte Grafiken zeigen, das man gerade bei der Produktsuche längst keinen hohen Anteil hat und eigentlich Verfahren gegen Amazon und eBay gestartet werden müssten. In Deutschland liegt Google auf Platz 7, in Frankreich auf Platz 11 und in Großbritannien auf Platz 5 der Ranglisten der größten Produktsuchmaschinen. Von einer Dominanz in diesem Bereich kann also gar keine Rede sein.



Damit es einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung geben kann, müsste es nach geltendem Recht eine ‚Geschäftsbeziehung‘ geben. Zwischen Google und den Nutzern bestehen aber keine Geschäftsbeziehungen.

Außerdem haben Googles Anwälte immer wieder klar gestellt, dass es zwischen dem Nutzer und der Suchmaschine keine Geschäftsbeziehung gibt, und daher kann die „marktbeherrschende Stellung“ laut Definition gar nicht ausgenutzt werden. Niemand zwingt die Nutzer die Google Websuche zu verwenden und alle anderen Suchmaschinen sind stets nur einen Klick entfernt. Doch auch dieses Argument wurde zerschmettert und führte nicht zu einer von Google geforderten Einstellung des Verfahrens.

Wirklich begründen wird die EU das Verfahren und auch das erwartete Urteil wohl nicht können, und es dürfte wohl eher darum gehen dem Unternehmen die Grenzen aufzuzeigen, statt wirklich in diesen Markt einzugreifen, der eigentlich genügend Anbieter hat und in dem Google längst keine beherrschende Stellung einnimmt. Doch ein Urteil aus Prinzip dürfte wohl nicht wirklich gut ankommen, daher dürfen wir uns auf die Begründung des Urteils freuen, die dann hoffentlich etwas substanzieller als der jetzige Vorwurf ist.



Welche Strafe hat Google zu erwarten?

Über die Höhe der Strafzahlung gibt es viele Spekulationen, und bisher ist eigentlich nur klar dass es die wohl höchste jemals in der EU verhängte Strafe sein wird. Bisher liegt der Rekord bei gut 1,06 Milliarden gegen Intel – und das könnte Google bei weitem schlagen. Derzeit ist die Rede von knapp über einer Milliarde Dollar, doch der theoretische Spielraum ist deutlich höher.

Die EU hat die Möglichkeit, bis zu 10% des Jahresumsatzes als Strafe zu verhängen – und der lag im vergangenen Jahr bei 90 Milliarden Dollar! Die EU könnte sich ihren Haushalt um bis zu 9 Milliarden Dollar aufhübschen, aber eine solche Summe halten selbst die Schwarzmaler für unwahrscheinlich. Umstritten ist auch, ob vielleicht nur der Umsatz der Produktsuche herangezogen wird, und diese dürfte dann schon deutlich niedriger liegen.

Die Zahlung wird Google bzw. Alphabet zwar hart treffen, doch ist für das Unternehmen keine unmittelbare Bedrohung. Google hat mittlerweile Bargeldreserven von weit über 90 Milliarden Dollar angesammelt und kann somit auch die Höchststrafe aus der Portokasse zahlen. Viel schwerer könnten eventuelle Auflagen das Unternehmen und die Suchmaschine in Zukunft belasten. Aber darüber gibt es derzeit noch keine Informationen. Selbst eine Aufspaltung des Unternehmens stand bereits im Raum.


Ein Urteil wird für den morgigen Tag erwartet, könnte aber auch heute noch gesprochen werden. Wir werden natürlich darüber berichten. Doch das ist nicht das einzige Verfahren in der EU, denn auch gegen Android und gegen das Werbegeschäft laufen mittlerweile Verfahren.

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