Mit Android beherrscht Google den mobilen Markt und kommt mittlerweile auf einen dominierenden Marktanteil von weit über 80%. Auf dem Desktop hingegen hat Google bislang noch nicht viel zu melden und konnte sich gegen die starke Windows-Konkurrenz bisher nicht durchsetzen. Doch in wenigen Jahren könnte das schon ganz anders aussehen: Mit Android und Chrome OS greift man nun gleich mit zwei Betriebssystemen an – und die Chancen für einen Erfolg stehen nicht schlecht.
Der große und lukrative Desktop-Markt wird bisher noch von Microsoft Windows und in deutlich kleinerem Umfang von Apples Mac OS beherrscht. Beide System sind seit Jahrzehnten auf dem Markt und ist den Nutzern in Fleisch und Blut übergegangen, so dass Google mit einem einfachen „me too“-Betriebssystem kaum eine Chance auf Erfolg hätte. Also versucht man es nun durch die Hintertür, und auch hier könnte die magische Waffe Android wieder alle Türen öffnen.
Android auf dem Desktop?!
Mit Android strebt Google in immer mehr Märkte und hat neben dem Smartphone längst auch die Fühler in das Wohnzimmer und auch in das Auto ausgestreckt, also scheint der Desktop nur der nächste logische Schritt zu sein. Wenn die Nutzer immer und überall von Android-Geräten umgeben sind, dann werden sie diese eines Tages auch auf dem Desktop akzeptieren – so zumindest scheint der Plan Googles zu sein. Und dieser könnte wirklich auch aufgehen.
Ein reines Desktop-Android wird Google wohl so schnell nicht auf den Markt bringen, aber man macht das bestehende System Fit für die großen Displays und die alternative Eingabemethode per Maus und Tastatur. Mit dem Material Design hat man beide Plattformen längst in punkto Design vereinheitlicht, was schon ein sehr großer und wichtiger Schritt gewesen ist. Mit den Freeform Windows tut man nun das übrige dazu, um mehrere Apps gleichzeitig anzeigen zu können – wie man es vom Desktop gewohnt ist.
Das Geheimrezept für Android auf dem Desktop dürfte in den Convertible-Geräten liegen, die sowohl als Tablet als auch als Laptop genutzt werden können. Solche Geräte dürften sich in Zukunft großer Beliebtheit erfreuen, und bringen das darauf installierte Android-Betriebssystem wie selbstverständlich auf den Laptop und machen in der Wahrnehmung der Nutzer schon einen Desktop daraus. Mit dem Pixel C-Hybrid hat Google selbst ein solches Gerät auf dem Markt, dem wohl noch viele weitere folgen dürften.
Über die Chancen und Fakten für Android auf dem Desktop habe ich bereits vor einigen Wochen einen Artikel geschrieben.
Unterschätzter Underdog Chrome OS
Mit Chrome OS ist Google seit vielen Jahren auf dem Markt und hat die neue Kategorie der Chromebooks geschaffen, die sich (sehr) langsam aber sicher Marktanteile erwirtschaftet haben. Im ersten Quartal 2016 hat man sogar erstmals mehr Chromebooks als Mac-Computer verkaufen können – was ein mehr als achtungswürdiger Erfolg ist. Langsam aber sicher setzt sich vor allem bei den Privatnutzern die Erkenntnis durch, dass das einzige was sie auf ihrem Windows-PC tun nur noch das Starten des Browsers ist.
Chrome OS punktet vor allem damit, dass es das mit Abstand sicherste Betriebssystem auf dem Markt ist und trotz großer Anstrengungen (und hoher Preisgelder von Google) bisher noch nicht geknackt werden konnte. Es gibt auch keine großen Einstellungsmöglichkeiten oder Dinge die man „falsch“ machen und das Betriebssystem unbenutzbar machen könnte. „It just works“ würde Steve Jobs sagen, der Chrome OS damals wohl noch nicht auf dem Zettel hatte.
Mit der zukünftigen Möglichkeit, Android-Apps unter Chrome OS auszuführen könnte das Betriebssystem nun endgültig abheben. Das Argument der „teuren Briefbeschwerer“ ohne Internetzugang zählt spätestens ab diesem Punkt nicht mehr, denn durch die Android-Apps bekommen die Chromebooks völlig neue Möglichkeiten. Schon bisher konnte das Betriebssystem und viele Apps auch ohne Internetzugang verwendet werden, aber dieses Argument wollten nur die wenigstens Kritiker hören.
Ein Ökosystem für alle Plattformen
Mit der vereinten Kraft von Android und Chrome OS könnte Google tatsächlich sehr viel schneller als bisher gedacht den Desktop-Markt erobern. Natürlich wird man keine Nutzer mit Begeisterungsstürmen von Windows oder Mac OS weglocken können, aber langsam und sicher könnten sich immer mehr Nutzer bei einer Neuanschaffung für ein Chromebook entscheiden. Da Android-Apps immer stärker und umfangreicher werden, stehen sie vielen Desktop-Apps mittlerweile in nichts mehr nach.
Mit Chrome OS hat Google ein erprobtes Desktop-System und mit Android hat man ein Ökosystem aufgebaut, mit dem jedes andere Betriebssystem in den Schatten gestellt wird. Das Geheimnis liegt nun darin, dass Entwickler nur noch eine App entwickeln müssen und diese auf alle Plattformen nutzbar ist – und das ist etwas, dass die Konkurrenz nur eingeschränkt bieten kann. Microsoft hat einige Schritte zur Vereinheitlichung unternommen und hat die „Universal Apps“ eingeführt, aber die Windows-Plattformen sind noch immer viel zu unterschiedlich. Apple hingegen dürfte das ganze verschlafen haben, denn erst vor kurzem hatte Tim Cook abgewinkt und eine Annäherung von Mac OS und iOS energisch abgelehnt.
Natürlich gibt es gerade im Profi-Bereich viele Dinge die Android noch nicht bieten kann (Stichwort: Photoshop, Exchange,…), aber das kann sich natürlich sehr schnell ändern. Wenn Android (oder zumindest die Apps) erst einmal auf dem Desktop angekommen ist, dann werden die Hersteller ihre Apps auch für diese Plattform zur Verfügung stellen. Und dann wird das ganze zum Selbstläufer.
Android oder Chrome OS
Am Ende wird sich Google entscheiden müssen, mit welchem Betriebssystem man den Desktop erobern möchte. Noch nehmen beide Anlauf, aber auf Dauer wird man nicht zwei Betriebssysteme gleichzeitig – die sich immer weiter annähern – unterstützen können. Denkbar wäre es tatsächlich, dass beide Systeme eines Tages doch zusammengelegt werden, auch wenn Google dies immer wieder bestreitet. Selbst das aktuell erhältliche Convertible Pixel C war ursprünglich als Android-Chrome OS-Hybrid geplant.
Auf jeden Fall stehen uns spannende Zeiten bevor, die vor allem für Microsoft sehr ungemütlich werden könnten.