Gestern Abend hat das Wall Street Journal in einem Artikel enthüllt, dass Google die Zusammenlegung von Android und Chrome OS plant und wir schon im nächsten Jahr die erste Vorschau auf diese Version bekommen. Zwar hat sich Google bisher nur sehr wortkarg dazu geäußert und hat auch weiterhin die Unterstützung für Chrome OS beteuert, doch ein Dementi sieht ganz anders aus. Die großen Fragen die nun im Raum stehen sind: Wie wird sich diese Zusammenlegung auf Android als Betriebssystem auswirken? Und was wird aus all den Chromebooks, die natürlich auf das Betriebssystem Chrome OS ausgelegt sind.
Das WSJ gilt normalerweise als sehr gut informierte Quelle, die im Normalfall keine Gerüchte oder Spekulationen weiter verbreitet – also wird zumindest ein Fünkchen Wahrheit an der Story sein. Die Zeitung hat berichtet, dass Google die beiden Betriebssysteme fusionieren möchte und dann mit gemeinsamer Kraft alle Plattformen vom Smartphone über das Tablet bis hin zum Laptop oder gar Desktop-PC bedienen könnte. Auch der Play Store soll dabei seine zentrale Rolle behalten und der App Store für das Betriebssystem werden bzw. bleiben. Mehr Informationen gibt es derzeit nicht.
There’s a ton of momentum for Chromebooks and we are very committed to Chrome OS
Zusammenlegung war schon lange absehbar
Google hat sich nur mit obigem Statement zu dem Bericht geäußert, das aber weder den Bericht dementiert noch eine Zukunftsgarantie für Chrome OS gibt. Schon vor Jahren haben sich unter anderem Google-Gründer Sergey Brin als auch Vorstandsvorsitzender Eric Schmidt dahingehend geäußert, dass beide Betriebssysteme „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht zusamen gelegt werden, dies aber in Zukunft durchaus eine Möglichkeit wäre. Nun hat man wohl diesen Punkt erreicht und hat beide Betriebssysteme langsam aber sicher in die gleiche Richtung geführt, so dass die Zusammenlegung einfacher wird.
Schon vor einem halben Jahr gab es erste Berichte zur Zusammenlegung, die darauf abzielten, dass die Fusion längst begonnen hat: Chrome OS kann mittlerweile einige Android-Apps ausführen, mit dem Material Design für beide Plattformen wurden die Oberflächen angeglichen und auch die UIs der beiden Betriebssysteme wurden sich im Laufe der Jahre immer ähnlicher. Doch Chrome OS kann natürlich nicht als reine Browser-App unter Android simuliert werden, eine Zusammenlegung muss da deutlich tiefer gehen.
Welches Konzept wird sich durchsetzen?
Noch viel schwerer als die Zusammenlegung der beiden Oberflächen wird vor allem das grundlegende Konzept der beiden Betriebssysteme sein: Während es sich bei Chrome OS um ein reines Cloud-Betriebssystem handelt, das eigentlich keine Daten speichern sollte (aber kann) und nur Web-Apps ausführen kann, ist Android ein lokales Betriebssystem das sehr stark auf Apps basiert. Zwar ist durch die Cloud eine große Gemeinsamkeit bereits vorhanden, doch die Ansätze sind dennoch verschieden. Der gesamte Unterbau müsste völlig neu geschaffen werden, denn beide Betriebssysteme basieren auf unterschiedlichen Architekturen.
Während Android ein rein auf Touch optimiertes System ist, ist Chrome noch immer auf die Bedienung per Maus und Tastatur ausgelegt, was Google in den vergangenen Jahren aber schon etwas verbessert hat. Mit Geräten wie dem Chromebook Pixel hat Google schon vor längerer Zeit versucht, Touch auf Chrome OS zu bringen, doch das Betriebssystem ist dafür einfach nicht ausgelegt und kein Nutzer wird seinen Arm ständig zum Bildschirm erheben, wenn die Maus oder das Touchpad direkt davor liegt.
Google folgt Microsoft
Microsoft hat mit Windows 8 und Windows 10 mittlerweile schon beide Welten vereint, doch ist damit einerseits auch auf ganzer Linie gescheitert. Der Desktop ist bei Windows 10 wieder das zentrale Element, trotz dem vereinheitlichten Startmenü, und ist für Touch nicht geeignet. Dennoch hat man es als erster großer Hersteller geschafft, beide Welten erst einmal grundlegend zu vereinen. Google und Apple stehen dem noch nach und haben bisher auf getrennte Ökosysteme gesetzt. Doch mit dem neuen Betriebssystem könnte man nun endlich das schaffen, woran Microsoft bisher noch scheitert – eine komplett gleiche Oberfläche für beide Welten. Apple hingegen hält – noch – weiterhin an der Trennung von iOS und Mac OS fest.
Die Preisfrage ist natürlich auch, ob auch die Nutzer eine Oberfläche wünschen, die sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Laptop gleich aussieht. Da beide Welten ihre Vorzüge haben, bringen sie natürlich auch die jeweiligen Nachteile auf die andere Plattform. Bisher konnte noch kein Konzept überzeugen, aber wir dürfen hoffen dass auch Google dieses Problem erkannt hat und eine perfekte Lösung gefunden hat. Auch Hardwaremäßig soll Google schon seit längerer Zeit an einem Hybriden aus Android und Chrome OS arbeiten – möglicherweise schon ein erster Schritt in diese Richtung.
Die richtige Entscheidung?
Google dürfte einen solchen Schritt nur sehr behutsam durchführen und möglicherweise alle Nutzer Schritt für Schritt langsam umstellen, einen kompletten Neustart beider Betriebssysteme wird es wohl nicht geben. Android ist das dominierende Smartphone- und Tablet-Betriebssysteme und Chrome ist der weltweit meistgenutzte Browser – wodurch auch Chrome OS noch viel Potenzial hätte – und das wird man wohl kaum durch eine tollkühne Entwicklung gefährden. Das neue Betriebssystem ist eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste, Projekt für Google und muss dementsprechend natürlich gut überlegt sein.
Wir dürfen sehr gespannt sein wie sich die beiden Betriebssysteme weiter entwickeln werden. Doch zu früh wird sich Google natürlich nicht in die Karten schauen lassen, da natürlich auch Microsoft und Apple diese Entwicklung mit großem Interesse beobachten werden. Dass nun aber endlich Bewegung in den Hybrid-Markt kommt, und ein gemeinsames Betriebssystem für ALLE Plattformen geschaffen wird, ist aber sicherlich ein wichtiges Signal für den gesamten Markt und auch für die Hardware-Hersteller.