In den letzten Monaten wurden sehr viele Abgesänge auf Google+ veröffentlicht und sicherlich liegen in den Schubladen vieler Reaktionen auch schon Grabreden bereit – aber diese wird man so schnell nicht benötigen. Trotz einer weiteren Entflechtung des Netzwerks betont Google, und allen voran Produktmanager Bradley Horowitz, stets immer wieder dass das Netzwerk längst nicht am Ende ist und einfach nur eine neue Richtung einschlägt. Und für diese neue Richtung macht die Abtrennung der anderen Angebote einfach auch Sinn.
Zwar gab es aufgrund des Abgangs von Vic Gundotra und dem darauf folgenden langen Stillstand unter Dave Besbris schon länger Abgesänge auf Google+, aber erst mit der Abtrennung von Google(+) Photos begann der öffentliche Zerfall des Netzwerks. Daraufhin wurden einige weitere Features eingestellt und gestern gab es nun die doch relativ überraschende Trennung von Google+ und YouTube, mit der es noch längst nicht beendet sein soll.
Google+ war eine Gefahr für Google
In den Jahren 2011 bis 2013 hatte Google alle Kräfte darauf angestrengt, dass das Netzwerk allgegenwärtig wird und hat es in viele weitere Produkte integriert. Dabei stoß man nur selten auf Gegenliebe und vor allem der Anschluss von YouTube fiel bei den Nutzern schnell in Ungnade. All das hat nicht wirklich dazu beigetragen die Beliebtheit des Netzwerks zu steigern, sondern hat eher das Gegenteil erreicht. Die Nutzer haben das Weite gesucht und wollten sich auf keinen Fall ein solches Profil anlegen.
Zwar lief man nie ernsthaft Gefahr dass sich die Nutzer komplett von Google abwenden, aber das wohl auch nur deswegen weil es für das Gesamtangebot des Unternehmens keine Konkurrenz gibt. So haben die Nutzer dann also brav ein Profil bei Google+ erstellt – weil sie nicht mehr drumherum kamen – aber haben dieses (natürlich) niemals genutzt und dürften heute vielleicht gar nicht mehr wissen dass sie ein solches überhaupt besitzen. Doch mit diesen Schritten hat Google auch das Vertrauen der Nutzer auf die Probe gestellt, die sich schon fast genötigt sahen das Netzwerk nutzen zu müssen.
Google+ war ein Ökosystem im Ökosystem
Eine weitere Gefahr von Google+ in der damaligen Zeit war es auch, dass sich innerhalb des Netzwerks ein eigenes Ökosystem entwickelt hat. Photos und Hangouts waren zwei Angebote, die immer wichtiger wurden, aber eben nur innerhalb des Netzwerks nutzbar gewesen sind. Vor allem mit Photos konnten viele Nutzer begeistert werden und Funktionen wie Auto Backup und Auto Awesome sowie eine starke Bilderkennung haben dort ihren Ursprung. Doch durch den Lock-In in das Netzwerk konnte Google kaum mit anderen Unternehmen konkurrieren, wodurch man natürlich droht den Anschluss zu verlieren.
Dadurch war es natürlich der richtige Schritt gewesen, Photos loszulösen und auch die längst vollzogene Herauslösung von Hangouts war ein richtiger Schritt. Innerhalb des Netzwerks, dem viele Nutzer einfach nicht beitreten wollten, hätten beide Angebote keine große Zukunft mehr gehabt – und das obwohl nach Googles eigenen Angaben mehr als 1.200 Mitarbeiter an diesen Tools gearbeitet und entwickelt haben. Auch die Auslagerung der YouTube-Kommentare zu Google+ war in dem Punkt so eine Sache, die bei den Nutzern nicht auf Gegenliebe stieß und dass die Anonymität unter den Tisch fallen ließ. Von daher war bzw. ist auch hier die Trennung der einzig richtige Weg.
Kein Google+ Profil mehr für andere Angebote
Bradley Horowitz hat in einem Posting angekündigt, dass man festgestellt hat dass die Nutzer nicht unbedingt ihr „Google+ Profil“ als „Google Profil“ verwenden möchten. Statt einem zentralen Profil in dem alle anderen Angebote angebunden sind, geht man nun wieder den Schritt zurück und ermöglicht das Pflegen von mehreren Profilen. Das Google+ Profil wird dabei nur innerhalb von Google+ zwingend verwendet, aber eben nicht mehr bei YouTube, Blogger oder auch GMail. YouTube ist dabei ausdrücklich nur der erste Schritt, viele weitere bzw. alle anderen Angebote sollen noch folgen.
At the same time, we’ll also move some features that aren’t essential to an interest-based social experience out of Google+. For example, many elements of Google+ Photos have been moved into the new Google Photos app, and we’re well underway putting location sharing into Hangouts and other apps, where it really belongs. We think changes like these will lead to a more focused, more useful, more engaging Google+.
Wer sein YouTube-Konto nun wieder von Google+ lösen möchte, soll auch bald eine Möglichkeit dafür haben. Bisher war dieser Schritt unumkehrbar, aber schon in wenigen Wochen soll ein Tool zur Verfügung stehen dass die Trennung vollzieht und wieder ein eigenständiges YouTube-Profil anlegt. Das gilt dann nicht nur für die Kommentare, sondern auch für den gesamten Kanal – auch hier fällt die G+ Pflicht komplett weg. Einen wirklichen Nutzen hat das Betreiben eines Google+ Profils in Verbindung mit YouTube ohnehin nie gemacht – und das hat nun auch Google endlich gemerkt.
Google+ wird zum Sharing-Netzwerk
Doch trotz aller Auflösungserscheinungen ist Google+ nicht tot – wie man immer wieder betont. Stattdessen hat es einfach eine neue Richtung bekommen und wird nun endlich zu dem Netzwerk als das es von Anfang an konzipiert war: Für das Teilen von Inhalten und das Sortieren in Collections. Dafür wird keine angeschlossene Videoplattform, kein aufgeblasenes Fotoalbum und auch keine Integration der Sharing-Funktion in viele andere Produkte benötigt. Statt einer Zentrale für alle geteilten Inhalte wird Google+ einfach nur zu einem Stream, so wie es auch seit einiger Zeit immer wieder einmal bezeichnet wird: „Stream“.
So in the coming months, a Google Account will be all you’ll need to share content, communicate with contacts, create a YouTube channel and more, all across Google.
Statt dem Google+ Profil als zentrale Stelle innerhalb des Kontos rückt nun wieder der eigentliche Google Account in den Fokus – was der einzig richtige Weg ist. Nicht an allen Stellen muss man mit seinem vollen Profil auftreten und auch die Anonymität kommt dadurch ein Stück weit wieder zurück. Mit der Trennung können nun wieder Kommentare bei YouTube ohne Verlinkung des Profils verfasst werden oder auch Blogger-Blogs erstellt und gepflegt werden ohne dass man direkt sieht wer dahinter steht. Den losgelösten Angeboten kann dies nur zu Gute kommen.
» Artikel von Bradley Horowitz im Google-Blog