Quo Vadis – Wie geht es nach der Abspaltung von Photos mit Google+ weiter?
Wer zwischen 2012 und 2014 im Google-Netzwerk unterwegs gewesen ist, und dazu zählen alle Angebote von GMail über Android bis YouTube, kam um Google+ kaum drumherum. Doch irgendwann im vergangenen Jahr hat Google+ plötzlich seinen Antrieb verloren und schnell kamen Gerüchte über eine baldige Einstellung auf. In der vergangenen Woche wurden nun Fakten geschaffen und der populäre Foto-Dienst abgespalten. Aber wie geht es denn nun mit Google+ weiter?
Vor mehr als einem Jahr hat der Übervater von Google+, Vic Gundotra, das Unternehmen verlassen und offenbar eine sehr große Leere im Google+ Team hinterlassen. Wenn man den Gerüchten glauben mag, dann kam Gundotras Abschied damals nicht ganz freiwillig. Das Management hatte entschieden dass sich nicht mehr das halbe Unternehmen um das Netzwerk drehen soll, womit Gundotra als treibende Kraft natürlich nicht einverstanden gewesen sein kann – und hat dann eben Konsequenzen gezogen. Zur damaligen Zeit sollen mehr als 1.000 Mitarbeiter an dem Projekt Google+ gearbeitet haben. Sein Nachfolger David Besbris blieb komplett farblos und hatte ebenfalls irgendwann die Segel gestrichen.
Unter der neuen Führung von Bradley Horowitz scheint Google+ nun langsam wieder in die Spur zu finden und wird tatsächlich erstmals seit langer Zeit wieder weiter entwickelt. Mit den Collections hat man nun nicht unbedingt den Heilsbringer gefunden, aber man hat zumindest wieder ein Lebenszeichen an die Community gesendet. Doch die ungewisse Zukunft des Netzwerks trägt natürlich nicht dazu bei, dass sich neue Nutzer dort niederlassen und bestehende dieses wieder aktiver nutzen. Dennoch verharrt Google seit Monaten im Stillschweigen. Immer wieder ist zwar die Rede von „Google+, Photos & Hangouts“ – aber nur bei letzteren beiden tut sich etwas.
Fällt „Google+“?
Mittlerweile ist Google+ Photos abgespalten und der Link zu Google+ ist verschwunden – gerade letzteres hat nun wieder neue Befürchtungen darüber geweckt dass dem Netzwerk keine rosige Zukunft bevorstehen wird. Denkbar wäre, dass Google den Namen „Google+“ fallen lässt, da dieser einfach zu sehr verbrannt wurde und von den meisten Nutzern einfach nur noch negativ assoziiert wird. Die Degradierung zum reinen Stream dürfte dem Netzwerk vorerst gut tun, aber möglicherweise unter einer anderen Bezeichnung. Denkbar wäre etwa „Google Profile“ oder ganz einfach „Google Stream“.
Folgende Gründe haben ehemalige Google-Mitarbeiter damals als Grund für das Scheitern ausgemacht:
- Larry Page war persönlich in das Konzept und die Entwicklung involviert und wollte dass das gesamte Unternehmen hinter dem Produkt steht und es unterstützen sollte – daher auch der plötzliche Google+ Zwang für viele weitere Angebote.
- Google hatte Angst vor Facebook: 2011 hatte das soziale Netzwerk viele Mitarbeiter von Google abgeworben, was das Unternehmen dringend dadurch stoppen wollte, in dem man in direkte Konkurrenz zu Facebook geht.
- Um keine Informationen nach außen dringen zu lassen, wurde das gesamte Google+ Team vom Rest abgeschirmt und hatte sogar eine eigene Cafeteria. Da niemand genau wusste woran das Team arbeitet, und die Verbindung gefehlt hat, gab es auch Google-intern viel Widerstand. Es soll gar eine „Stimmung der Angst“ geherrscht haben. („There was definitely an aura of fear for a time“)
- Google+ wurde zu sehr mit dem Hintergedanken des „Konkurrenz-Produkts zu Facebook“ und nicht als eigenständige Entwicklung konzipiert.
- Google+ wurde dafür entwickelt um die internen Probleme zu lösen und nicht als Produkt für den Nutzer. Google+ sollte endlich das fehlende soziale Puzzleteil sein, das all den Google-Angeboten in der Vergangenheit gefehlt hat.
- Das Circle-Konzept, so hilfreich es auch sein mag, war für den Durchschnittsnutzer zu kompliziert und kann nicht mit dem „Friend“ oder „Follower“ von Facebook und Twitter mithalten.
- Google+ war zu lange für den Desktop konzipiert und hat Mobile vernachlässigt. Es setzte Anfang auf viele große Grafiken, die aber auf einem Smartphone keinen Sinn machen und auch schnell den Datentarif sprengen können.
Google braucht Google+
Googles Problem mit Google+ ist, das man es vielleicht mittlerweile als ungeliebtes Stiefkind betrachtet, aber eben auch nicht ohne klar kommt. Jedes große Netzwerk bietet seinen Nutzern eine Profilseite, und ohne fehlt einfach der persönliche Bezug zu den vielen Daten. Natürlich könnte Google einen erneuten Anlauf wagen und auch diese wieder auslagern, aber die Idee des Streams ist einfach zu verlockend um diese einfach fallen zu lassen. Doch natürlich ist der Stream ohne all die angeschlossenen Angebote nicht viel wert, also gehört eine tiefe Integration weiterhin dazu – nur möchte man es den Nutzern eben nicht mehr ganz so stark auf die Nase binden.
Wenn man dem Netzwerk nun eine erneute Chance geben und einen Neustart verpassen möchte, dann tut man dies wirklich mit sehr ungewöhnlichen Mitteln: Features wie Circle Share und Ripples, die potenziell dafür sorgen dass sich Inhalte schneller verbreiten, werden eingestellt und jetzt nimmt man auch die starke Verlinkung aus dem gesamten Google-Netzwerk praktisch komplett zurück. Dem Traffic wird dies nicht gerade gut tun – möchte man die Nutzer also künstlich vom Stream fernhalten weil man im Hintergrund schon wieder an einer Nachfolge-Lösung arbeitet? Es wäre nicht das erste mal dass Google ein Produkt fallen lässt, vielleicht sogar einstellt, und erst später einen Nachfolger ankündigt.
Da sich Google bis Heute nicht über die Zukunft von Google+ geäußert hat, und auch die Sorgen einer Einstellung nie zerstreut hat, kann man davon ausgehen dass man intern einen sehr guten Plan hat und diesen nun unter (strenger?) Geheimhaltung verfolgt. Ein Neustart hat in vielen Fällen noch nie geschadet. Mit Google+ wollte Google einfach zu viel auf einmal und hat auf zu vielen Hochzeiten zugleich getanzt. Zwar sind/waren Hangouts, Photos & Co. für sich gute Produkte, aber sind eigenständig einfach besser. Jetzt gilt es, sich auf den reinen Stream zu konzentrieren und diesen konsequent endlich wieder einmal weiter zu entwickeln. Den Visionär an der Spitze, Vic Gundotra, mag man vor langer Zeit verloren haben, aber auch Horowitz dürfte große Pläne haben.
Es würde mich nicht überraschen, wenn wir schon in wenigen Wochen große Neuigkeiten von Google+ hören werden.
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