Die BusinessWeek hat ein sehr interessantes Interview mit Googles Produktmanagerin Marissa Mayer geführt. Darum geht es um Googles Unternehmenspolitik in Sachen veröffentlichung neuer Produkte, die weitere Verknüpfung aller Dienste und die Schwierigkeit ein Produkt zum Erfolg zu bringen. Ich habe es euch mal auf deutsch übersetzt.
Google ist längst aus seinem Kerngeschäft der Suche ausgebrochen. Hat es der Firma gut getan?
Wir glauben daran, je mehr neue Produkte wir herausbringen, desto erfolgreicher und beliebter werden sie auch. Der Weg dahin ein revolutionelles neues Produkt zu finden führt über die Veröffentlichung von 5 weiteren Produkten und der Hoffnung dass eines davon Erfolg hat. Ich denke dass wir dies im moment ziemlich gut beherrschen. Gute Produkte wachsen auch ohne große Promotion, schlechte eben weniger. Wir veröffentlichen Produkte so früh wie möglich (Anm. Red.: Daher Beta ;-)), um zu sehen wie die User das Produkt annehmen und welche zukünftigen Features sie sich wünschen. Diese bauen wir dann eventuell mit in das fertige Produkt ein.
Wir veröffentlichen Produkte früh in den Google Labs, um sie nur einem kleinen Nutzerkreis vorzustellen und es lediglich per Mund-zu-Mund-Reklame bekannt zu machen. Das gibt dem Team die Möglichkeit die Anforderungen an das Produkt genauer einzuschätzen. Es gibt uns auch einige sehr wichtige Hinweise darauf, ob das Produkt wirklich gebraucht wird, wie groß der Markt dafür ist und wie unser Produkt gegenüber der Konkurrenz da steht.
Wie messen sie den Erfolg eines neuen Produkts?
Wir vertrauen hauptsächlich auf unsere eigenen Log-Files.Und natürlich auf User-Feedback. Google Mail zum Beispiel ist sehr beliebt. Es ist nur noch nicht so weit verbreitet wie Hotmail oder Yahoo! Mail. Wir können das Wachstum durch das Einladungsmodell relativ gut kontrollieren. Und ich glaube es ist sehr gut nachzuvollziehen, dass wenn wir das Einladungsmodell abschaffen, wir mehr als das 10fache an Traffic und Usern haben würden. Und wenn wir uns das mal ausrechnen, dann sind wir größer als Yahoo! oder Hotmail. Also glauben wir dass Google Mail ein sehr gutes Produkt ist.
Wenn sie sich die Google News anschauen, dann würden sie sagen dass es seine Arbeit gut erledigt. Wir haben Google News in mehr als 40 Sprachen und 40 Ländern an den Start gebracht. Wir sind wirklich stolz darauf was Google News geschafft hat, es hat die demografischen und geografischen Grenzen aufgehoben und bietet den Usern eine völlig neue Möglichkeit der Nachrichten-Recherche. Es wächst von Jahr zu Jahr und ist das stärkste unserer „älteren“ Produkte. Zur Zeit verdoppelt sich der Traffic noch in jedem Jahr.
Ich denke im Grunde macht es alles Sinn was wir tun. Wir haben zwar ein paar Produkte die zur Zeit nicht Marktführer sind und es vielleicht auch nie sein werden, aber wir wollen den Usern eine Menge neuer Produkte geben. Die Leute merken sich natürlich nicht alle Produkte, aber wenn sie sich eines merken – was wirklich Sinn macht – dann hat es eine Menge Potenzial.
Oft sehen Analysten und die Weltpresse in einem neuen Google-Produkt einen Killer für all seine Konkurrenten. Aktuelles Beispiel: Google CheckOut und PayPal. Pokern sie hier ein bißen zu hoch, wenn sie sagen dass Google den gesamten Markt umdrehen und die Konkurrenten ausboten wird?
Die Leute haben nunmal die Angewohnheit, da gehöre ich auch dazu, etwas neues sehr viel höher zu bewerten als es auf lange Sicht gesehen wirklich sein kann. Wenn man sich die Schlagzeilen ansieht, wird man verstehen was ich meine. PayPal ist ein wirklich gutes und ausgereiftes Produkt. Und unser Service, wenn sie sich mal anschauen was wir damit genau tun, konkurriert nicht wirklic mit PayPal – wir haben völlig verschiedene Grundansätze. Unsere Produkte werden einfach missverstanden.
Wenn sie sich mal ein ausgereiftes Produkt anschauen, wie z.B. Microsoft Excel, dann werden sie sehen dass es sehr schwer ist dieses zu übertreffen. Dieses Produkt ist über die vielen Jahre gereift und hat seine eigenen Killer-Features. Und wir haben unsere. Müssen wir immer gleich mit anderen konkurrieren wollen, wenn wir in einen neuen Markt eintreten? Zweifellos. Wird es für uns viele Jahre dauern um im diesen sehr ausgereiften Markt Erfolg zu haben? Auf jeden Fall.
Googles Homepage ist sehr aufgeräumt, was eines der Markenzeichen ist. Wie will Google all seine Produkte auf dieser Seite vorstellen ohne diesem Design-Grundsatz zu entsagen?
Das Design hat sich in den letzten Jahren ein klein wenig geändert. Wir machen keine grundlegenden Änderungen und wollen nicht alle unsere Produkte auf der Startseite vorstellen. Aber es gibt ein paar Grundkonzepte über die wir nachdenken. Wir denken darüber nach wie wir die Navigation auf unseren Seiten ändern können, dass ist das was ich „San Angeles“ und „Los Diego“-Strategie nenne. Wir nehmen starke Produkte und fügen diese zusammen in ein noch stärkeres Produkt. Sie können also San Diego und Los Angeles nehmen und aus den beiden eine Mega-Stadt machen.
Wenn ich mir zum Beispiel die Google News anschaue, dann weiß ich das der User hier Neuigkeiten sucht die ihn interessieren und sich über aktuelle Events informieren möchte oder gerne sehen möchte was andere über ein bestimmtes Thema schreiben. Es ist ein wirklich guter Ort um hier weitere Dienste zu integrieren, zum Beispiel Google Blog Search und Google Finance. Auf diesem Wege müssen wir schauen dass wir die Produkte zusammenführen. Den Leuten fällt es schwer sich an mehr als 5-10 Produkte einer einzigen Firma zu erinneren. Wenn wir jedes einzelne Produkt nehmen und es noch stärker und bedeutsamer für die Leute machen, dann werden wir gute Reaktionen von den Usern urückbekommen, die Leute merken sich dieses Produkt und der Traffic auf unserer Seite steigt.
Wird Google einige seiner guten Produkte bewerben?
Es gab in der Vergangenheit interessante Dinge wie z.B. das Da Vinci-Spiel in diesem April. Dies war eine Zusammenarbeit mit Sony Pictures. Wir haben etwas veröffentlicht was gut für den Hype rund um den Film gewesen ist und den Leuten geholfen hat eine Google-Produkte besser zu verstehen.
Für jeden der dieses Spiel mitgemacht hat, gab es jeden Tag verschiedene Google-Produkte zu sehen. Wir hatten Millionen von Leuten die sich in das Spiel eingeloggt haben und die Puzzles durchgespielt haben. Über 100.000 Personen kamen dabei bis zum letzten Level, inklusive Sergey Brin, der natürlich als einer von 10.072 Google-Mitarbeitern für das Gewinnspiel disqualifiziert war. Er hat vorher vergessen zu kündigen.
Gibt es genügend Disziplin bei Googles Programmierern um die Vielzahl von Produkten immer wieder upzudaten?
Eric Schmidt und Larry Page wissen dass wir ein bißchen mehr Organisation in das ganze hier hereinbringen müssen. Aber ich denke es ist auch wichtig die Psychologie der Entwickler zu verstehen. Es gibt einige Ingenieure denen die Aufgabe zu langweilig wird und die gerne an einem anderen oder neuen Produkt arbeiten möchten. Aber es gibt auch eine Menge Personen die an ihrem Produkt mit Leidenschaft arbeiten und es zu einem der besten auf den Markt machen wollen.
Der Chef unseres News-Teams, Mike Dixon, war ein Entwickler mit wenig Hintergrundwissen über News & nachrichten. Aber heute ist er ein unglaublich versierter News-Leser von Zeitungen auf aller Welt der weiß worauf es ankommt und zu jedem Thema top informiert ist. Man könnte ihn als „News-Experten“ bezeichnen. Und für ihn ist es wirklich wichtig, dass die Google News immer besser werden und der Marktführer bleiben.
Das gleiche gilt für unsere Maps-Entwickler. Sie haben Karten aus aller Welt studiert und studieren sie noch heute. Wie sie coloriert werden müssen, wie der Kontrast zwischen den einzelnen Farben am besten abgeglichen wird usw. Dabei kam z.B. heraus dass die Namen der Straßen in die Straße selbst hereingedruckt werden sollten und nicht irgendwo über der eigentlichen Straße erscheinen sollten.
Sollten Produkt-Manager bei Google mehr Macht bekommen?
Nein, ich finde nicht. Wir haben eine Menge Leute die in ihrem Gebiet einfach die besten sind. Ich denke das ist äußerst interessant: Wir haben intern keine hohen Ansprüche an ein Produkt. Wenn du einem Entwickler ein 70-Seiten-Dokument in die Hand drückst und sagst er soll das machen, dann fehlt die gesamte Kreativität in diesem Produkt. Die Entwickler die ein gutes Feature in dem Produkt sehen, welches konzeptionell nicht vorgesehen ist, haben meist die besten Vorschläge. Wir sollten dieses Kreativität nicht aus einem Produkt herausdrängen. Der Geheimplan um ein Produkt ist das Team selbst welches eine Vision von dem Produkt hat welches sie gerade zusammenbauen. Und sie sollten genügend Raum haben um keinen der Teammitglieder in seiner Kreativität einzuschränken. Auf diesem Wege sind einige unserer besten Produkte entstanden.